Gastkommentar: Rosneft vs. Exxon Mobil

Es geht um die Marktmacht der größten Öl- und Energiekonzerne der Welt und darum, wer künftig in unserer neuen, multipolaren Welt das Sagen in Sachen Preispolitik der wichtigsten Energieressource hat. Das mit Abstand größte Ölgeschäft der globalisierten Welt 2012 ist jetzt fast perfekt. Mit der Übernahme des Öl-Joint Ventures TNK-BP steigt Rosneft (Роснефть) mit Sitz in Moskau zum weltgrößten Energieunternehmen auf. Für 55 Milliarden US-Dollar (42 Mrd. Euro) wird Rosneft die drittgrößte russische Ölfirma TNK-BP schlucken. Sie gehört bislang zu gleichen Teilen BP und AAR, einem Konsortium aus vier Oligarchen. Das Geschäft habe insgesamt ein Volumen von 61 Milliarden US-Dollar (46,76 Mrd Euro), sagte der Chef des russischen Staatskonzerns Rosneft, Igor Setschin, im Rahmen eines Treffens mit Präsident Wladimir Putin. Rosneft kauft vom britischen Energiekonzern BP sowie vom russischen Oligarchen-Konsortium AAR jeweils 50 Prozent an TNK-BP. Auf 4,5 Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag schätzen Analysten die Fördermenge des neuen Megakonzerns. Es handelt sich um den größten Deal der Ölbranche seit dem Zusammenschluss von Exxon und Mobil 1999. Ex-Vizeregierungschef Setschin ist ein enger Vertrauter von Präsident Putin.

BP plc London steigt zugleich zum zweitgrößten Rosneft-Aktionär – nach dem russischen Staat – auf. Zudem bekommt der britische Konzern zwei Sitze im Aufsichtsrat des Staatskonzerns. Das Geschäft muss nach britischem Recht nicht von den BP-Aktionären genehmigt werden. Mehrere Investoren drängten darauf, die Einnahmen als Dividende weiterzugeben. BP plc teilte in einer Stellungnahme mit, der Konzern würde noch „prüfen, wie das Geld eingesetzt werden soll“. Gleichzeitig kündigte das Unternehmen an, seine „progressive Dividendenpolitik fortzuführen“. Es gilt als wahrscheinlich, dass BP plc einen Teil des Geldes als Reserve behalten wird.

Experten erwarten, dass das neue Russland somit aktiver in die Preisfindung und Marktmacht der globalen Ölindustrie eingreifen wird. Analysten aus der Militär- und Sicherheitsbranche warnen bereits seit Monaten vor einer neuer Formierung und der damit verbundenen Marktmachtkonzentration im besonders sensiblen sowie volatilen Energiesektor in unserer neuen, sich weiter formierenden multipolaren Weltordnung. Die politische Führung in Russland will über den Energiesektor internationalen Einfluss zurückgewinnen. Bilaterale Kooperationen – beispielsweise mit Venezuela und anderen Staaten, die bislang in der besonderen Einflusssphäre mit der ehemaligen UDSSR-Außenpolitik,  werden von Igor Setschin im Auftrage der politischen Kräfte in Moskau konsequent umgesetzt. Wirtschaftlich gesehen geht es um strategische Allianzen.

Geographisch und strategisch gesehen nähert sich das neue Russland dem Ziel, gemeinsam mit den russischen Staatskonzernen und westlichen Partnern, wie BP, die wertvollen Energiereserven im russischen Nordpolarmeer erschließen. Analysten vermuten dort rund ein Fünftel der weltweiten bislang unentdeckten Ölvorkommen. Und vor allem Norwegen fördert dort sehr erfolgreich. Die Norweger hatten erst vor wenigen Monaten einen neuen Fund in der Nähe eines bereits im April 2012 entdeckten Ölfelds erschlossen. In den beiden Förderfeldern “Havis” und “Skrugard” mindestens 400 bis 600 Millionen Barrel gelagert sein. “Havis” sei der zweite ergiebige Fund in der Barentssee innerhalb von neun Monaten, berichtete der CEO von Statoil, Helge Lund. Partner bei dem neuen Ölfeld sind nach Angaben von Statoil mit einer Beteiligung von 30 % der italienische Eni-Konzerntochter “Eni Norge” (Agip) und die norwegische Staatsfirma “Petoro”, die 20 %  halten wird.

Die Förderung soll noch vor Ende des Jahrzehnts beginnen. Lund zufolge ist es wahrscheinlich, dass die Förderung bei den Feldern “Skrugard” und “Havis” gemeinsam vorbereitet wird. Neben diesen Vorkommen entdeckte Statoil zuletzt mit der schwedischen Lundin Petroleum die Felder “Aldous Major South” und “Avaldsness” in der Nordsee. Allerdings wurde noch bis in die jüngste Vergangenheit heftig über den Verlauf der Seegrenzen in der Arktis gestritten. Russland und Norwegen haben gerade erst vor wenigen Monaten den Streit über den Verlauf ihrer Seegrenze in der Arktis beigelegt und damit den Weg für die Öl- und Gasförderung in der Barentssee frei gemacht. Die Nachbarländer unterzeichneten einen Vertrag auf der Grundlage eines Kompromiss, der die Aufteilung eines Gebiets regelt, das etwa halb so groß wie Deutschland ist. „Es hat 40 Jahre gedauert, um zu diesem Abkommen zu gelangen“, sagte kürzlich noch der vormalige russische Präsident Dmitri Medwedjew.

Société Générale Group S.A. stuft aktuell die Rosneft-Aktie (ISIN US67812M2070/ WKN A0J3N5) auf „buy“ mit einem Kursziel bei 8,00 US-Dollar ein. Mit 5,40 Euro pro Anteilsschein liegt Rosneft über dem 52-Wochen-Tief von 4,595 Euro (Stichtag 12.12.) und diese Prognose verspricht eine gute Performance. Sandro Valecchi, Analyst

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3 Comments

  1. Skismo said:

    Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort!
    Gruß Skismo

  2. Sandro Valecchi said:

    Sehr gute Frage:
    Ausgetrickst sieht sich Exxon-Mobil (Esso), bislang die Nummer 1 unter den privaten Öl-Gesellschaften der Welt. Die Amerikaner schlossen im vergangenen Jahr eine Allianz mit dem russischen Staatskonzern Rosneft ab. Exxon stach damit den kleineren Konkurrenten BP aus, der zuvor vergeblich versucht hatte, ein Bündnis mit Rosneft zu schmieden, so dachten jedenfalls viele Experten und Marktbeobachter. Russlands Machthaber haben damit wieder einmal gezeigt, wie moderne Energiepolitik zum unberechenbaren Geschäft wird.

    Damit ist Exxon freilich nicht aus dem Geschäft gedrängt, sondern lediglich die Richtung (geographisch) hat sich geändert. Nicht mehr über russische Partner soll die Arktis-Exploration erfolgen. ExxonMobil Canada beabsichtigt ein verstärktes Engagement in Kanada auszubauen; ein Zukauf ist im Gespräch – Celtic Exploration – ein Unternehmen zur Erkundung von Lagerstätten. Exxon biete 24,50 Kanadische Dollar pro Aktie sowie jeweils eine halbe Aktie einer neu zu gründenden Gesellschaft.

    Was nun aus der „strategischen Partnerschaft“ zwischen Exxon Mobil mit dem neuen, russischen, staatlich-kontrollierten Erdölriesen Rosneft wird, kann ich derzeit nicht sagen. Gemeinsam wollten diese Gesellschaften in der arktischen Kara-See und im Schwarzen Meer nach Erdöl und Erdgas suchen. Das war der Stand 2011. Rosneft sollte im Gegenzug Zugang zu Ölfeldern in Nordamerika wie im Golf von Mexiko und in Texas bekommen.

    Société Générale glaubt an Exxon, deren Analysten setzten die Aktie von Exxon Mobil zwar auf „buy“; das Kursziel der Exxon Mobil-Aktie (12-Monatszyklus) sieht man dort nur auf dem Niveau von 103,00 US-Dollar, also wie bisher unverändert; meines Erachtens nach sieht eine optimistische Analyse (beim Voting „buy“) anders aus. Positiv ist hingegen zu vermerken, das Exxon kontinuierlich steigende Dividenden an die Aktionäre ausschüttet; dies hält die Anleger bei Laune.

    Beim Ölpreis kam es aktuell zu leichten Korrekturen (was die Autofahrer erfreut und an den Tankstellen bemerkbar war). Am heutigen Vormittag präsentierte sich der Ölpreis allerdings wieder mit erholten Notierungen. Die Sorten WTI und Brent zogen an, wenn auch nur in einem verhaltenen Umfang, bei der Sorte Brent um 0,67 US-Dollar auf 108,92 USD.
    Herzliche Grüße

  3. Skismo said:

    Hallo Herr Valecchi,
    eine wirklich interessante Zusammenfassung der momentanen Lage.
    Wie sieht es denn mit der Aufstellung von ExxonMobil, vor allem in der Arktis aus?
    Gruß Skismo

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