GASTKOMMENTAR Nachtflugverbot, Kostendruck, Wettbewerb – Deutsche Lufthansa AG

Die Deutsche Lufthansa AG wird derzeit schwer geprüft! Sie muss nicht nur den defizitären Europaverkehr in den Griff bekommt, um sich und dem Konzern die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Jetzt muss die LH AG ausgerechnet auch noch an ihrem Referenzstandort, dem „Heimatflughafen Rhein-Main“ ein gerichtlich verordnetes Nachtflugverbot verkraften, was insbesondere den CARGO-Frachtverkehr in einem erheblichen Umfang einschränkt. Kurz nachdem das Nachtflugverbot bestätigt wurde, fielen die Kurse von LH- sowie der FRAPORT-Aktien.

Der zuständige Senat mit weinerlich eingestimmten Berufsrichtern am Bundesverwaltungsgericht Leipzig torpedierte die auf Mobilität ausgerichtete deutsche Volkswirtschaft des Jahres 2012, die den Warenumschlag nach dem „just-in-time-Prinzip“ (JIT) dringend braucht; hierzu zählen freilich auch Luftfrachtverkehre, die auch Nachts abgewickelt werden müssen. Nach dem Leipziger Diktat dürfen zwischen 23 Uhr und 5 Uhr früh gar keine Flugzeuge starten oder landen. Ohnehin waren für diesen Zeitraum bislang gerade einmal 17 Flüge genehmigt worden. Zwar hatten Analysten und Wirtschaftsexperten mit Auflagen (Lärmschutzmaßnahmen; Beschränkung auf Flugzeuge mit „leisen Triebwerken“; Bevorzugung von Anflug-Routen mit geringerer Emission), die völlig undifferenzierte Ausurteilung in Leipzig hat allerdings den deutschen Wirtschaftsstandort aufgeschreckt. Die Zuverlässigkeit und Planungsgarantie, einst „deutsche Tugenden“ aus Sicht des Auslandes, kommt erneut auf den Prüfstand.

Das Dax-Vorzeigeunternehmen LH AG fürchtet um den Konsolidierungskurs. Lufthansa kappte bereits wegen der schwachen Passagierentwicklung im August 2011 und den unsicheren Wirtschaftsaussichten ihre Jahresprognose. Der Vorstand gehe für 2011 nur noch von einem operativen Gewinn im oberen dreistelligen Millionen-Bereich aus, verlautbarte es aus dem Konzern. Die vom Konzern erwartete Steigerung gegenüber dem Vorjahreswert von 876 Millionen Euro dürfte aus derzeitiger Sicht nicht mehr realisierbar sein. Die Aktien der Deutschen Lufthansa AG gerieten bereits 2011 in erste Turbulenzen. Dem LH-Management ist bewusst: nur Sparen wird bei weitem nicht reichen. Deshalb stellen sowohl Analysten wie Marktbeobachter die durchaus berechtigte Frage, wohin der Konzern Lufthansa AG steuert?

„Es ist die Pflicht eines Vorstands, sich neben den reinen Kosten auch alle anderen Szenarien, die möglich sind, anzuschauen”, erklärte LH-Vorstand Christoph Franz. Eine Aussage, die allerdings viel Raum für Spekulationen lässt. Konzernweit verbuchte Lufthansa AG in 2010 mit ihren gut 117.000 Mitarbeitern bei einem Umsatz von 27,3 Mrd. Euro einen operativen Gewinn von 876 Mio. Euro. Nun zu den aktuellen Fakten:

• Tochtergesellschaften: Die Lufthansa Tochtergesellschaften German Wings, British Midland, Austrian uns Swiss schrieben für das Jahr 2011 Verluste auf der Europastrecke in der Größenordnung eines dreistelligen Millionenbetrages. Pläne, die Billigflieger Germanwings mit British Midland (BMI) und der österreichischen AUA zu einen neuen, größeren Billiganbieter zu formen, um andere Low-Cost-Carrier wie Ryanair bzw. Easyjet auf Abstand zu halten, wurden zurückgestellt, die EU hat jetzt den Verkauf von der Tochter British Midland genehmigt.

• Altersversorgung der Mitarbeiter, Stichwort: Deferred Compensation. Das Oberlandesgericht Stuttgart (Beschluss v. 22.08.2011 – 2 UF 103/11) hatte aktuell in einem Musterprozess über betriebliche Altersvorsorgeansprüche bei der LH AG zu entscheiden gehabt. In dem Prozess ging es nicht nur um das vom Amtsgericht berücksichtigte Anrecht auf die LufthansaBetriebsrente mit einem Ausgleichswert von 19.680,27 Euro. Es ging zudem um mehrfache Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung im Versorgungsausgleich. Durch den Ausgleich des Anrechts – Deferred Compensation – entsteht kein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand bei der Deutschen Lufthansa AG als Versorgungsträger.

Zudem hat diese sich selbst nicht gegen einen Ausgleich ausgesprochen, was im Rahmen der Ermessensentscheidung ebenfalls zu berücksichtigen ist4. Da die Deutsche Lufthansa AG für das Anrecht die externe Teilung beantragt hat, erschöpft sich der ihr entstehende Verwaltungsaufwand in der Auszahlung des Ausgleichswertes an die Zielversorgung und in der Erfassung und Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs im Versorgungskonto des Antragsgegners. Da die LH AG bereits aufgrund der externen Teilung der Lufthansa-Betriebsrente zu deren Ausgleich durch Zahlung an denselben Zielversorgungsträger verpflichtet ist, entsteht ihr durch den externen Ausgleich des zweiten Anrechts ersichtlich kein nennenswerter Verwaltungsaufwand.

Darüber hinaus ist das Entstehen einer Splitterversorgung auf Seiten der Antragstellerin ausgeschlossen, weil die Ausgleichsbeträge für die betrieblichen Anrechte im Wege der externen Teilung (ohne Abzug von Kosten) insgesamt an einen Zielversorgungsträger zur Begründung eines Vertrages über eine Basisversorgung überwiesen werden. Bei einer Entgeltumwandlung zur betrieblichen Altersversorgung (arbeitnehmerfinanzierte Altersversorgung, auch Deferred Compensation genannt) verzichtet der Arbeitnehmer auf einen Teil seines Gehalts zugunsten einer Altersvorsorgezusage. § 1 Abs. 1 Nr. 3 BetrAVG fordert, dass künftig fällige Entgeltbestandteile in eine wertgleiche Zusage umgewandelt werden.

• Viele Piloten, viele Wünsche: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kippte die bisherige tarifvertragliche Altersgrenze bei den Piloten der Lufthansa. Mit Urteil vom 13.9.2011, Az. C-447/09, hat der EuGH eine tarifvertragliche Altersgrenze als unwirksam angesehen, weil sie altersdiskriminierend sei. Für die betroffenen Piloten bedeutet dies: weiterfliegen bis 65 und für Lufthansa heißt dies weiterzahlen.

• Viele Kosten, wenige Konzepte: Infolge der Flugticketsteuer stieg der operative Verlust bei LH Tochter Germanwings im ersten Halbjahr 2011 um fast 18 % auf 46 Millionen Euro, obwohl der Umsatz um 10 % auf 293 Millionen Euro zulegte. Kleiner Trost: Germanwings produziert zu niedrigeren Stückkosten als Lufthansa. Stark belastet haben das Geschäft des LH Konzerns auch die Atomkatastrophe in Japan und die Unruhen in Nordafrika. Der operative Gewinn liege noch bei 3 Millionen Euro, wie der Dax-Konzern mitteilte. Im Vorjahreszeitraum war hingegen noch ein Verlust von 171 Millionen Euro angefallen, was seine Ursachen unter anderem in der Vulkan-Aschewolke hatte, die damals die den Flugverkehr tagelang lähmte, zudem streikten auch noch die Piloten. Der Konzernumsatz zog in der ersten Jahreshälfte 2011 um 11 % auf 14,1 Mrd. Euro an und insgesamt stieg die Zahl der Fluggäste um 10 % auf 50,2 Millionen. Japan, Libyen, Aschewolke, Kerosin-Kosten treffen allerdings zwar nicht nur die Lufthansa AG, aber auch der Dax-Konzern LH AG muss diese Kostenlast managen.

Der Wettbewerbsdruck besteht vor allem im Verhältnis zu den international agierenden Low-Cost-Carriern. Kostendruck entsteht infolge weiterer Belastungen, etwa aufgrund Regierungsauflagen, Steuern und Gebühren sowie der unterschiedlichen Verkehrsrechte zwischen den einzelnen Staaten. Wenn weitere unvorhergesehene Ereignisse hinzukommen, wie beispielsweise Flugverbote wegen einer Vulkan-Aschewolke im Mai 2001, erhöht sich der Kostendruck. Hinzu kommt noch, dass ab 2012 alle Flüge, die von Flughäfen innerhalb der EU starten oder auf Flughäfen in der EU landen, dem EU ETS unterliegen. Dies bedeutet, dass die CO2-Emissionen dieser Flüge bis 2020 um mindestens 20% ihres Niveaus von 1990 reduziert werden müssen.

Auf der Kurzstrecke drückt der massive Wettbewerb mit Billig-Airlines wie Ryanair oder Easyjet die Margen. Die haben sich auf die Kurzstrecke konzentriert, fliegen von Punkt zu Punkt. Die Flugzeuge sind ständig in der Luft und verdienen Geld. Ein solches Modell ist für die Lufthansa-Kernmarke nicht möglich, da hier die Kurzstrecke als Zubringer für die Langstrecke genutzt wird, die Flugzeuge deshalb länger am Boden sind. Kosteneinsparungen allein reichen nicht. Zwar wurden alle 50-sitzigen Flugzeuge ausgemustert und gegen größere Maschinen ausgetauscht, die pro Passagier geringere Kosten verursachen. So konnten die Stückkosten im Europaverkehr beispielsweise im Jahr 2010 um 14 % gesenkt werden. Analysten und Bilanzbuchhalter wissen hingegen, dass mindestens das doppelte Einsparvolumen generiert werden muss, um wieder im Europaverkehr profitabel zu sein.

Auch besondere Faktoren, wie etwa das Nachtflug- und Ladeverbot auf Verkehrsflughäfen wie Frankfurt Rhein-Main, können den Kostendruck auf die LH zunehmend weiter erhöhen. Laut LH AG dürfte die CARGO-Tochter das Nachtflugverbot im Jahr mindestens 40 Mio. Euro kosten. Das sei mehr, als er erwartet habe, kommentierte die LH AG. „Wir können unser Zentrum in Frankfurt und die Umladungen dort nicht verlegen“, sagte der Lufthansa-Cargo-Vorstandsvorsitzende Ulrich Garnadt derzeit noch. Die richtige Managementstrategie wird für den Lufthansa Konzern jetzt darüber entscheiden, wie zukunftsfähig die LH AG aufgestellt wird, um die kommenden Turbulenzen in der heutigen, schwierigen Marktlage weltweit zu meistern.

Hierzu gehört auch, dass die LH AG unter Umständen dem Land Hessen und FRAPORT die „rote Karte“ im CARGO-Geschäft zeigen muss und damit auf einen anderen Standort ausweicht, wo es heißt: „Herzlich Willkommen LH CARGO!“ Sandro Valecchi

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4 Comments

  1. Pingback: Lufthansa im Sinkflug | Investors Inside

  2. Sandro Valecchi said:

    Hallo valix,
    natürlich kann ich gut verstehen, wenn man unmittelbar betroffen ist, das ist klar.
    In dem Wirtschaftsblog positioniere ich mich pro Wirtschaft, pro Standort und pro Unternehmen. Das ist hier das Thema.
    Die Lufthansa AG (Vorstandssprecher) hat jetzt aktuell bekannt gegeben, dass die LH einen harten Konsolidierungskurs einschlagen muss, um nicht in den Strudel und die Abwärtsspirale vieler anderer Luftfahrtunternehmen zu geraten. Knapp 1 Milliarde Euro muss die LH nach eigenen Angaben einsparen.
    Wenn das CARGO-Geschäft (zudem) auch nicht wegbricht, danach schaut es aus, besteht nicht nur ernsthafte Gefahr für den Konzern LH AG. Die Kunden der LH suchen sich wahrscheinlich andere Carrierer und die natürlich andere Landeplätze und Drehkreuze. Es kann gut sein, dass ein CARGO-Drehkreuz nach Osten verlegt wird, in andere EU-Mitgliedstaaten und der Standort Deutschland und das Land Hessen hätte dann natürlich das Nachsehen.
    Kommen einmal solche Entscheidungen (z.B. Drehkreuz Ost-Europa), sind diese Entscheidungen freilich irreversibel, dann also nicht mehr zu ändern, wenn sie einmal getroffen wurden.
    FRAPORT AG braucht dann keine 71.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr zu beschäftigen, im übrigen wäre das Einkommens- und Lohnniveau auch in Ost-Europa viel niedriger und damit ein Standortvorteil für die Konkurrenz.
    Deshalb ist und der der von mir verfasste Beitrag zugleich eine freundliche und ernst gemeinte Warnung, den Standortvorteil nicht zu verspielen. Meine massive Kritik an den Richtern und der Jusitz halte ich in vollem Umfange aufrecht und bewerte die Entscheidung in Leipzig als völlig maßlos und unverantwortlich.
    Meine Positionierung pro Standort Drehkreuz Frankfurt darf nicht als unkritische Verteidigung für das Management der LH AG verstanden werden. Ich war im Jahr 2011 kurzzeitig mit einem Teilaspekt befasst, Thema Vorschläge zur Kostenreduzierung: mein Beitrag bezog sich auf die Kostenkontrolle der hohen Altersversorgungsleistungen der Lufthansa AG, die zunehmend zur Belastung für den Konzern werden. Nach meiner persönlichen Einschätzung konnte sich das Management hierzu nicht positionieren und keine Entscheidungsentschliessung treffen. Ich stehe dem LH Management daher selbst kritisch gegenüber.
    Herzliche Grüße
    Sandro Valecchi

  3. valix said:

    Hallo,

    kurze Info: das Nachtstart + Landeverbot besteht bereits seit Oktober 2011 und ist nichts neues, was sollen diese aufgeschreckten Unkenrufe?!

    Sie tun so, als wäre es „neu“. Dass das Urteil des Kassler Verwaltungsgerichts aus der 2011 vom VGH Leipzig bestätigt werden würde, war zu erwarten. Die Frage war vor allem, inwiefern der VGH noch strengere Regelungen auferlegen würde. Da hat sich der Senat relativ zurückgehalten. Jeder weiß, dass ein Nachtstart+Landeverbot vor Landebahnbau in der Mediation vereinbart wurde. Das Ergebnis zusammengefasst: Entweder neue Landebahn und Nachtflugverbot oder keine neue Landebahn und Nachtflüge.

    Erst danach ist die Landesregierung dem Mediationergebnis mit dem Messer in den Rücken gefallen und hat eigenmächtig 17 Nachtflüge nachträglich erlaubt. Dass das vor Gericht keinen Bestand haben würde, hätte allen Beteiligten klar sein müssen. Und es ist ja nicht so, dass das erst vor wenigen Monaten passiert wäre. Das ist ein alter Hut und ein gutes Management von LH hätte damit schon vor langem gerechnet, und nicht auf windigen Ministerpräsidenten vertaut, der schon 2000 in der Schwarzgeld-Affäre der Bundes-CDU verwickelt war. Ein sauberes Arbeiten war ihm doch schon lange nicht mehr abnehmbar.

    Auch Heathrow, Gatwick und Stansted haben Restriktionen wie Rhein-Main.

    Ich weiß schon, warum ich vor dem Urteil keine LH-Aktien gekauft habe, trotz vieler Empfehlungen in Presse und Blogs. Nach dem Abrutsch könnte man es sich aber überlegen.

    Und jetzt noch eine Frage, mussten Sie schon Telefonate wegen eine überfliegenden Flugzeugs für 1-2 Minuten unterbrechen, auch bei geschlossenen Fenstern im Neubau? Wissen Sie wie gut man schläft, wenn man sommers das Fenster wegen der Hitze auf hat und dann ein Flieger über einen startet?

    Nein? Tja, wegen der NW-Landebahn haben sich alle Routen geändert und wir liegen jetzt wesentlich häufiger und durch geringere Höhe länger und lauter unter einem Schallteppich. Mit dem Zustand von vor 2009 hätte es sich noch leben können.

    Zudem wurden Gesundheitskosten durch Nachflüge für Rhein-Main auf 400 Mio. Euro geschätzt, die müssen erst mal durch Nachtflüge als Gewinn abgeworfen werden, damit durch Nachflüge gesamtheitlich kein volkswirtschaftlicher Schaden entsteht. Genauso wie Atomstrom auch eine enorme volkswirtschaftliche Bedrohung darstellt, da die Endlagerung, polizeiliche Absicherung beim Transport von Castoren, Entwicklung und zu Teilen beim Rückbau der Staat trägt. Je nach Modell kommt man auf bis zu 4 Euro je kwH-Atomstrom, echt schön billig!

    Eigentlich kann man Ihren Text nur als Satire auffassen, achja, schauen sie mal bei http://casper.umwelthaus.org/dfs/ vorbei.

    Schönen Grüße aus Hochheim am Main

    • Lars said:

      Hallo valix, vielen Dank zunächst einmal für den umfangreichen Kommentar, und ein herzliches Willkommen im Blog. Inhaltlich möchte ich die Beantwortung gerne dem Autor der Gastkommetars überlassen, und habe dies weiter geleitet. Zur Lufthansa Aktie nur kurz soviel. Natürlich trifft diese Entscheidung das Unternehmen nicht völlig überraschend, auch wenn das gerne in der Presse anders dargestellt wird. Lufthansa wird entsprechend gegen steuern, sodass der zu erwartende Schaden von 40 Millionen Euro jährlich wohl zum Großteil kompensiert werden kann. Deswegen bleibt die Aktie auch hochinteressant. Den eingestellten Link finde ich wirklich sehr cool 😉 viele Grüße, Lars

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