Anlage- oder Aktienkultur in Deutschland wird nicht gerade groß geschrieben. Noch immer ist des Deutschen liebstes Kind bei der Altersvorsorge, die eigengenutzte Immobilie, die Lebensversicherung oder schlichtweg das Sparbuch. Rendite wird vernachlässigt um sich vermeintliche Sicherheit zu erkaufen. Man kann es dem deutschen Michel nicht einmal verdenken, denn jedes mal wenn er sich endlich getraut hat und voller Elan in den aufregenden Aktienhandel eingestiegen ist, kam umgehend die Quittung. Das war 1987 so, im Jahr 2000 und auch als Lehman Brothers pleite ging und die aktuelle Krise ausgelöst hat. Auch jetzt – nach fünf Jahren Hausse – betrachtet der durchschnittliche Anleger die aktuelle Börsenphase weiterhin mit Argwohn. Inzwischen ist das wohl auch gerechtfertigt, denn die aktuelle Hausse könnte nun erst einmal an einem Punkt angelangt sein an dem es wieder deutlich turbulenter werden könnte.
Seit dem Ausbruch der letzten Finanzkrise unterliegt die gesamte Finanzbranche inzwischen weltweit einem stetigen Wandel. In den vergangenen Jahren wurden reihenweise Angestellte großer Banken entlassen, in einigen Teilen des Bankwesens hält dieser Prozess wohl auch noch etwas an. Die Banken müssen sich weiterhin gesund schrumpfen, um den an sie gestellten Anforderungen der Politik gerecht zu werden. Dennoch gibt es schon wieder erste erkennbare Chancen einer Stabilisierung und damit auch entsprechende Job-Angebote für qualifizierte Mitarbeiter in den großen Konzernen. Banken und Finanzkonzerne stellen wieder ein, war kürzlich zu lesen. Wobei dabei nun dankenswerter Weise etwas mehr auf „Qualität“ geachtet werden soll…!
Denn, das Anlegervertrauen in den Bankberater hat zuletzt stark gelitten. Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum mit Unterstützung der Deutsche Post zufolge vertrauen immer weniger Investoren bei der klassischen Geldanlage ihrem persönlichen Bankberater. Dieser Studie zufolge sehen nicht einmal 30 Prozent der Aktionäre in Deutschland (und es sind ohnehin schon sehr wenige!) die Bankberatung als wichtige Informationsquelle für Ihre Anlageentscheidung. Im Jahre 2008 waren es immerhin noch knapp 40 Prozent.
Nicht ohne Grund, möchte man sagen, denn in den guten alten Zeiten wurde vertrieben was der Markt so her gegeben hat, und das nicht selten mit ernsthaften Folgen für gutgläubige Anleger. Angefangen von geschlossenen Immobilienfonds, die sich teilweise im grauen Markt getummelt haben, bis hin zu Steuersparmodellen, die oftmals nicht funktionierten weil sich u.a. die Steuergesetzgebung während der Laufzeit verändert hat, wurde alles an den Mann/die Frau gebracht. Im Aktiengeschäft wurde die Werbetrommel meistens erst dann so richtig angeschmissen, wenn sich der Markt mal wieder auf einem zyklischen Hoch befunden hat. Das Ergebnis für Anleger, die sich auf den fachkundigen Rat verlassen haben, kennen wir ja.
In Sachen Verbraucherschutz wurden inzwischen nun ein paar halbherzige Versuche unternommen die Kapitalanleger künftig vor solchen Verlusten zu bewahren. Die Beschlüsse reichen noch bei Weitem nicht aus, aber es besteht zumindest Hoffnung dass hier in Zukunft noch nachgebessert wird. Manche Banken stellen sich nun verstärkt wieder auf die Bedürfnisse Ihrer Kunden ein und versuchen verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen. Die Lebensversicherungs-Branche ist zudem gezwungen sich neu zu erfinden, um trotz der derzeit mageren Renditen auf klassische Kapitallebensversicherungen auch in Zukunft noch im Geschäft zu bleiben.
Nicht alles war seit Lehman somit schlecht. Durch die Krise hat sich etwas bewegt, wenn auch bisher nur sehr zaghaft. Der beratende Bankmitarbeiter konnte oftmals nichts für das Scheitern einer Anlage, da die Prüfstelle der Bank die Produkte offensichtlich nicht ausreichend begutachtet, und/oder nicht hinreichend auf die möglichen Risiken hingewiesen hat. Dennoch waren sowohl die Kunden als auch diese Mitarbeiter die Leidtragenden. Somit bleibt am Ende die Hoffnung für alle Beteiligten darauf, dass mit einer neuen Generation von Kundenbetreuern, und in den in deutschen Geldhäusern selber, ein Umdenken stattfinden möge.
Wer sich in den kommenden Jahren der Herausforderung als Berater stellen möchte, sowohl Vertrauen in das angeschlagene Bankensystem zurück zu gewinnen, als auch Aktienkultur in die Köpfe deutscher Anleger zu bringen, der kann dieses Schritt immer noch wagen. Der Anleger hingegen ist dringend aufgefordert sich durch die unterschiedlichsten Quellen zu informieren und seine Geldgeschäfte wieder mehr in die eigenen Hände zu nehmen, bzw. Produkte künftig kritischer als bisher zu hinterfragen und sich eigenverantwortlich um seine Altersvorsorge zu kümmern. Ich selber versuche mit diesem Blog und mit dem Investors Inside Newsletter meinen Beitrag zu diesem großen Projekt zu leisten und bin überzeugt, dass auch wir hier in Deutschland einen Weg zu einer aufgeklärten Gesellschaft in Sachen Geldanlage finden werden.