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Ãœber Demut, Flexibilität und den richtigen Zeithorizont – zwei Lehren aus dem 04.10.11

Der gestrige Tag mit seiner beeindruckenden Rally in den letzten 45 Minuten der Handelszeit an der Wallstreet, hat für uns zwei wichtige Lehren parat, die wir uns alle unbedingt vergegenwärtigen sollten. Damit beantworte ich indirekt auch ein paar Fragen und Kommentare.

Lehre 1 – Gedankliche Flexibilität und opportunistische Haltung

Gestern um 21.15 Uhr war die Welt mit meiner alten, kurzfristigen Strategie noch völlig im Reinen. Es sah alles, wirklich alles nach dem Absturz bis ca. 1000 im S&P500 aus. Der Markt konnte die 1100 nicht halten und näherte sich den Tagestiefständen, die 1080 waren schon erreicht. Im DAX war alles blutrot mit -10% bei großen Werten. In all den Tagen davor, war die letzte Stunde besonders schwach. Viel sprach also dafür, dass der Markt nun zusammen bricht. Und unzählige Profis hatten aggressive Short Wetten im Markt. Dann kam dieses gewaltige Kaufprogramm und als Folge davon wurden alle diese Shorts aus ihren Positionen gepresst und wir hatten einen gewaltigen Shortsqueeze der uns 4% in 45 Minuten nach oben bewegt hat. Dazu hier noch einmal das eindrucksvolle Chartbild der US Indizes:

Es ist völlig egal was das Kaufprogramm ausgelöst hat, möglicherweise hat ein klug programmierter Algorithmus eines der BigBoys diese Menge an Shorts gesehen, eine Gelegenheit erkannt und mit genügend Kapital versucht, genau diesen Squeeze auszulösen. Möglicherweise hat ein dumm programmierter Algorithmus eine Headline aus Europa getradet, obwohl es eigentlich gar nichts zu traden gab. Völlig egal. Aber sobald sich der Wurm gedreht hatte und nach oben ging, mussten alle Marktteilnehmer mit und haben diese Bewegung möglich gemacht. Um 21.15 Uhr hatte ich also eine kurzfristige Strategie. Um 21.45 Uhr, als ich sah mit wie viel Momentum wir durch die 1100 durch gingen, habe ich diese Strategie ohne zu zögern fallen gelassen. Und um 22.15 Uhr gestern war mir klar, dass eine Bewegung dieser Dynamik das Potential hat kurzfristig zu weiteren Käufen zu animieren, die Rally also heute und morgen noch Potential hat.

Ich habe also innerhalb einer Stunde meine kurzfristige Sicht auf den Markt um 180 Grad gedreht. Nicht weil meine Analyse vorher falsch war, die würde ich jederzeit wieder so machen, sondern weil mir der Markt einen klaren Hinweis gegeben hatte. Und ich habe gelernt auf diese Hinweise demütig und unverzüglich zu reagieren. Ein weniger erfahrener Marktteilnehmer würde in dieser Situation dazu neigen, seine alte Position gedanklich zu verteidigen und daran festzuhalten. Und als Folge dabei viel Geld verlieren. Und wenn er dann endlich nach Tagen bereit ist die veränderte Welt zu akzeptieren, dann dreht Mr. Market schon die nächste Pirouette die einen wieder auf dem falschen Fuß erwischt. Ich denke wir alle haben das schon mal genau so erlebt, oder ?

Die Lehre ist also, große gedankliche Flexibilität ist ein Muss ! Und eine opportunistische Haltung, die demütig akzeptiert, was uns Mr. Market vorsetzt und nicht versucht zur Befriedigung des eigenen Egos die eigene Meinung zu verteidigen. Wenn Mr. Market eine solche Rally hinlegt, dann hat das Folgen. Schon alleine weil nun andere versuchen an den Folgetagen auch auf den Zug zu springen. Genau das passiert heute und wahrscheinlich auch Morgen. Und es kann gut sein, dass die Rally sachlich ohne Grund, ungerechtfertigt und einfach nur Ausbund des psychopathischen Verhaltens von Mr. Market ist. Das ist aber völlig egal und keinen Gedanken wert. Die Rally ist da und deshalb real. Wer Geld verdienen will, muss sich schnell anpassen oder der Markt walzt ihn platt.

Das ist auch die Schwierigkeit von öffentlichen Voraussagen in so Blogs wie hier. Und deswegen mache ich sie sehr ungern ! Wer das gestern nicht direkt erlebt hat, kann nicht verstehen, warum ich innerhalb einer Stunde meine Sicht anpasse. Gestern hat der Hari noch von S&P500 bei 1000 geredet und heute von 1150 – der spinnt doch. Und wie hätte ich jemanden warnen sollen, dass sich meine Sicht geändert hat ? In den 45 Minuten in denen auch ich nur damit beschäftigt war meine Positionen anzupassen ? Wer das verstanden hat, wird mich nicht mehr fragen was ich morgen vom Markt erwarte. Denn der weiß, dass meine Meinung schon eine Stunde später anders sein kann. Wer erfolgreich sein will, muss lernen eine eigene Meinung zu entwickeln. Anders geht es nicht. Immer schön gedanklich flexibel bleiben!

Lehre 2 – Zeithorizont

Damit sind wir auch beim zweiten typischen Fehler den zu Viele an der Börse machen. Sie sind sich nicht über den Zeithorizont im klaren in dem sie agieren ! Mit schrecklichen Folgen für das eigene Depot. Denn man muss ja gar nicht so kurzfristige Richtungswechsel mitmachen wie ich. Man kann auch langfristig denken und kann dann solche Tage wie gestern einfach ignorieren. Nur dann muss man auch langfristig handeln !

Typisches Szenario: Max Müller liest in einer Anlegerpostille einen Artikel, der eine Aktie als unterbewertet und „Schnäppchen“ anpreist. Das überzeugt Max Müller, unter anderem weil es viele gute langfristige Argumente gibt, warum das Geschäftsfeld zukunftsträchtig ist und langfristig wachsen wird. Max Müller kauft also, ohne sich mit der kurzfristigen Markttechnik des Titels zu beschäftigen, er könnte das auch gar nicht, weil ihm die Techniken dafür fehlen. Genau 24 Stunden lang fühlt sich Max Müller nun wie Warren Buffet und als kommender „Value-Investor“. Dann, am nächsten Tag, fällt der Titel um 5%. Am Tag darauf wieder um 4%. Und so weiter. Zunächst wird Max Müller es nicht glauben, aber nach 20% Verlust und einer Woche später dann entnervt verkaufen und seiner Frau sagen: die Börse spinnt doch, ich rühre keine Aktie mehr an. Erkennt sich jemand wieder ? Ich mich schon, diese Fehler habe ich Anfang der 90er Jahre auch gemacht.

Die Börse spinnt aber keineswegs, Max Müller ist einfach nur unfähig. Er kauft eine Aktie aus langfristigen Erwägungen, springt dann aber nach Tagen raus, weil ihn ein kurzfristiger Verlust überrascht, über den er sich vorher keine Gedanken gemacht hat. Das kann nicht gut gehen ! Wenn man sicher gehen will in der nächsten Woche nicht 10% zu verlieren, muss man sich zwingend auch mit kurzfristigen Fragen auseinandersetzen und die Techniken dafür beherrschen.

Und damit sind wir wieder beim 04.10.11 und der Frage an mich, wie ich die weitere Entwicklung sehe. Ich kann diese Frage so nicht beantworten. Ich gebe die Antwort daher auf meine Weise:

Kurzfristig hat diese Rally Potential uns noch weiter nach oben zu bringen. Morgen (Donnerstag) könnte auch noch gut werden, dann dürfte der Schock-Effekt dieser Rally langsam auslaufen und die Bären langsam wieder ihre Krallen wetzen.
Mittelfristig sind wir immer noch in einem Abwärtstrend. Nichts hat sich daran bisher geändert. Es ist immer noch wahrscheinlich, dass wir noch neue Tiefststände sehen.
Langfristig haben wir in vielen Aktien Kaufkurse. Langfristig ist es egal, ob man VW für 87 oder 93 gekauft hat, es sind beides wohl gute Kurse.

Das ist meine Sicht heute 05.10.11 um 21.15 Uhr während ich das schreibe. Aber bitten erwarten Sie nicht, dass ich diese Sicht auch zwingend in 24 Stunden noch habe. Gerade die kurzfristige Sicht kann sich schnell ändern. Die wichtige Lehre ist also: man sollte unbedingt den Zeithorizont seines Handelns mit dem Zeithorizont der Anlagestrategie in Einklang bringen. Wer das vergisst, wird Geld verlieren.

Mr. Market interessiert sich nicht für unser Ego. Und uns sollte es auch nicht interessieren. Wir sind an der Börse um Erfolg zu haben, nicht um Recht zu behalten !

Demut

Es hatte sich gestern bereits angedeutet – und die US Börsen konnten meine Annahme eines unmittelbar bevorstehenden Ausbruchs nach oben dann fast schon wie erwartet bestätigen. Die Indizes sind nach oben ausgebrochen! Sowohl der S&P 500 der sich nun unmittelbar vor der wichtigen Marke von 1.172 Punkten befindet als auch der Dow Jones, der die 11.000 Punkte Marke gestern überwinden konnte deuten nun auf weiter steigende Kurse hin. Die heute Nacht veröffentlichten Zahlen von Intel dürften auch die Nasdaq entsprechend beflügeln. Der amerikanische Chipriese konnte mit seiner Zwischenbilanz deutlich positiv überraschen. Sowohl der Umsatz als auch der operative Gewinn konnten erneut kräftig gesteigert werden.

Intel meldete für das dritte Quartal einen Gewinn von 0,52 Dollar je Aktie und übertrifft damit die Erwartungen der Wall Street um 2 Cent nach oben. Der Umsatz klettert gegenüber dem entsprechenden Vorjahresquartal um satte 18,2 Prozent auf 11,1 Milliarden Dollar, was auch leicht über den Konsensschätzungen der Analysten von 10,99 Milliarden Dollar liegt. das Unternehmen rechnet nun auch im vierten Quartal mit einer weiterhin deutlich anziehenden Nachfrage nach Computern insbesondere auch aus den Wachstumsmärkten. Die Intel Aktie konnte nachbörslich um 1,2 Prozent zulegen, und dürfte wohl in Zukunft wieder über der psychologisch so wichtigen Marke von 20,- Dollar handeln.

Auch für den Dax bringt diese Nachricht sowie die verbesserte Charttechnik nun zunächst einmal deutliche Erleichterung. Der DAX Future notierte heute morgen bereits bei 6.357 Punkten, und damit deutlich über der 6.335 Marke die sich in den vergangenen Tagen so oft als ernstzunehmendes Hindernis dargestellt hatte. Es sieht also zunächst einmal alles gut aus für einen Ausbruch nach oben und eine anschließende Jahresendrallye. Um jetzt aber nicht allzu euphorisch zu wirken möchte ich darauf hinweisen, dass gerade in den kommenden Tagen einige Daten veröffentlicht werden, die den Markt durchaus noch einmal durchschütteln können. Noch ist also nichts in trockenen Tüchern, dennoch bin ich der Meinung, dass wir uns alle, nach der langen Zeit des lustlosen hin- und herpendelns, auch mal richtig über die heutige Situation freuen dürfen.

Die zweite Lektion nach der Geduld, die man an der Börse zu lernen hat, wenn man dauerhaft erfolgreich sein möchte, ist die Demut. Meine Strategie scheint erneut aufzugehen, und das wiedermal nachdem ich mich mit meiner Meinung gegen den Mainstream gestellt habe. Zugegeben – ein gutes Gefühl, dennoch muss man unbedingt wachsam bleiben! Demut und Dankbarkeit über das Erreichte verhindert nach Erfolgserlebnissen zu übermütig zu werden, und schwere Trading-Fehler zu begehen. Wird der Ausbruch heute Nachmittag bestätigt wäre die Hausaufgabe an Sie also zunächst darin Ihre Stopps entsprechend darauf einzustellen, bzw. diese nach oben anzupassen. Achten Sie aber bitte darauf hier nicht zu knapp ran zugehen! Ich gehe davon aus, dass der Markt noch etwas schwankungsintensiv bleiben wird.

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