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Zusammenbruch der Kapitalmärkte abgesagt?

Wer hätte das noch am Donnerstag gedacht…Unsere Kanzlerin hat sich mit dem in meinen Augen richtigen Weg für eine langfristige Lösung durchgesetzt, und man muss ihr großen Respekt zollen, für die Durchsetzungskraft und das Engagement der letzten Wochen, unabhängig davon ob man ein Freund Ihrer sonstigen Politik ist oder nicht. Während sich die Konkurrenz auf dem SPD Parteitag darin erging ein phantasieloses Parteiprogramm zu entwerfen, dass sich in erster Linie mit brandgefährlichen Eurobonds und höheren Steuern beschäftigt hat, ist nun endlich durch entschlossenes Handeln der Kanzlerin doch noch etwas entscheidendes in Europa passiert. Es ging um die Wurst! Frau Merkel hat das verstanden und notwendige Maßnahmen konsequent eingeleitet. Die Vorgehensweise zunächst die Franzosen mit ins Boot zu holen um den nötigen Druck zu erzeugen war dabei außerordentlich clever.

So wie es im Moment aussieht konnten sich also alle EU Staaten, bis auf England auf einen Konsens zur Bekämpfung der Schuldenkrise einigen. Die Briten stellen sich quer, und das ist auch aus deren Sicht einigermaßen verständlich. Wirtschaftlich ist das Land bereits seit längerem auf dem Abstellgleis gelandet. Lediglich die City, wie das Bankzentrum im Herzen von London genannt wird, sorgt noch für eine gewisse Phantasie im internationalen Wettbewerb. Und genau um diesen verbliebenen Teil englischer Wirtschaftsmacht kämpft Cameron im Auftrag seiner Gefolgsleute geradezu mit dem Mut der Verzweiflung. Sein Land wäre höchstwahrscheinlich in einer ähnlichen schlechten Situation wie Italien, wenn es heute den Euro hätte. Die Bank of England konnte in den letzten Monaten nur durch heftiges Drucken des Britischen Pfundes zunächst das Schlimmste verhindern. Kein zweites Land in Europa ist so abhängig von der Finanzbranche, und so wird bis zuletzt dafür gekämpft dass dem britischen Finanzsektor keine Ketten angelegt werden können. Aber ist das wirklich der klügste Weg für die Briten?

Ich habe seit gestern das Bild eines Tieres im Kopf das sich von der Herde entfernt hat, und jeder der schon mal einen Film über die Serengeti oder ähnliches gesehen hat weiß was nun kommt. Das Tier läuft nun Gefahr von den umher streifenden Löwen in der Savanne ausgemacht zu werden, und stellt sich außerhalb der Herde als leichte Beute dar. Wer die Löwen sind oder wo diese lauern um die Beute zu reißen weiß man nicht, aber Sie sind da! Und sie werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nun genau dieses Tier aus gucken um es zu erlegen. Momentan wartet das Löwenrudel noch auf eine geeignete Chance zum Angriff. Das einzelne Tier hat also durchaus noch die Chance zur Herde zurück zu kehren und in der Masse unter zu tauchen…Die Herde hingegen formiert sich und bereitet sich auf den zu erwartenden Angriff von außen vor, da es die Gefahr wittert. Andere hingegen versuchen noch schnell in Zentrum der Herde zu kommen um nicht gefressen zu werden. Steht die Formation erst einmal ist es für den Ausreißer zu spät, dann wird die Herde bereit sein dieses eine Tier zum Wohle der Gemeinschaft zu opfern.

Ich würde also in der nächsten Zeit bei Anlagen in Großbritannien etwas vorsichtig agieren 😉 Für den Euro hingegen, ebenso wie Staatsanleihen von Mitgliedsstaaten der Eurozone, dürften nun wieder bessere, oder zumindest etwas ruhigere Zeiten anbrechen. Die Finanzmärkte werden wohl die Spekulationen gegen Europa zurückfahren. Die Spekulationen um einen Austritt Englands aus der EU und dessen Folgen hingegen werden uns wohl in den kommenden Wochen begleiten. Erste Reaktionen der Kapitalmärkte könnten wir bald schon sehen. Deshalb ist zu erwarten dass auch dem Finanzkomplex in London bald dämmern wird, dass ein Austritt der Briten aus dem Euroraum mit hoher Wahrscheinlichkeit katastrophale Folgen für das Land haben wird.

Natürlich fehlen auch noch wichtige Einzelheiten zur Umsetzung der Beschlüsse des EU Gipfels. Klar dürfte jedem sein dass diese Aufgabe noch mit vielen Stolperfallen gespickt ist, die allesamt noch bis zum März 2012 gelöst werden müssen. Der Teufel steckt weiterhin im Detail, und auch die Störfeuer seitens der Ratingagenturen werden nicht schlagartig abreißen. Momentan stehen schon wieder die europäischen Versicherer auf dem Prüfstand. Als Aktienanleger darf man dennoch kurzfristig wieder verhalten optimistisch sein, auch wenn ich für das Gesamtjahr 2012 durchaus skeptisch bleibe. Ob wir noch eine sehenswerte Jahresendrallye sehen werden, oder nicht wage ich an dieser Stelle nicht mehr zu beurteilen. Die Wahrscheinlichkeit eines baldigen Zusammenbruchs der Kapitalmärkte ist aber nun deutlich geringer geworden, und das ist ja auch schon mal was!

Meinung nach dem Gipfel

Kurz meine subjektive Sicht auf die Ereignisse der letzten Nacht.

Ich begrüsse die Entwicklung und denke mehr war erst einmal nicht drin. Dieses Ergebnis ist kein Scheitern, sondern im Rahmen des Möglichen eher ein Erfolg. Und es kam erstaunlich schnell zustande, auch ein Positivum. Wir haben nun die Chance den verkappten amerikanischen Flugzeugträger aus der Union zu bekommen – die Briten standen einem Fortschritt Europas hin zu den Vereinigten Staaten von Europa sowieso nur im Weg und waren in Fortführung ihrer „Balance of Power“ Strategie in meinen Augen nur Mitglied um genau diesen Fortschritt zu hintertreiben.

Wenn der Markt es jetzt schafft sich hier zu stabilisieren, wird die Panikmache gegen den Euro – die aus offensichtlichem Eigeninteresse auch stark von der Finanzindustrie in London unterstützt wurde – ad absurdum geführt. Die Welt geht eben nicht unter, nur weil die EZB nicht mit dem Geld um sich wirft.

Eine engere Fiskalunion ist halt bittere Medizin und wird nicht gerne genommen. Das aber alle 17 Euro Staaten und 6 weitere freiwillig dem Weg zustimmen – und nur eine Nation, natürlich die Briten, definitiv absagt ist in meinen Augen sehr positiv, mit so viel Konsens habe ich in Anbetracht des Deutsch-Französischen Diktats eigentlich nicht gerechnet.

Wenn Cameron glaubt, dass er mit einer Blockade der EU nun irgend etwas Positives für sein Land bewirkt, ist er komplett auf dem Holzweg. Das wäre das Verhalten eines verzogenen Kindes und würde wohl die öffentliche Meinung des ganzen Kontinents gegen die Insel aufbringen. Das Ergebnis eines solchen Weges wäre die völlige Marginalisierung der Insel. Man kann den Briten nur raten nicht so dumm zu sein. Denn Englands Wirtschaft – insbesondere die Finanzindustrie – kann ohne Europa nicht leben, Europa ohne England aber sehr wohl.

Deshalb erwarte ich, dass dem Finanzkomplex in London in den nächsten Wochen dämmern wird, dass er mit einer Total-Opposition gegen Europa ganz schnell seiner Existenzgrundlagen beraubt wird. Wer hindert denn die 17+6 harte Regulierungen zu beschliessen, die ganz gezielt die Londoner Geldmaschine abwürgen ? Warum sollten die das jetzt nicht tun ?

Ich wage daher mal die Prognose, dass die gleichen die nun über Monate Europa aus Eigeninteresse zum massiven Gelddrucken zwingen wollten, in wenigen Wochen Druck auf Cameron machen, nun doch eine konstruktivere Haltung einzunehmen, weil sie merken wie ihnen die Geschäftsgrundlage entschwindet. Machtpolitisch ist dieser Ausgang für die Briten in meinen Augen eine krachende Niederlage.

Summa Summarum wird uns die Unsicherheit um den Euro also wohl bis ins Frühjahr erhalten bleiben. Aber daran sind wir ja gewohnt. Wenn die Märkte sich aber im Lichte dieser Nachrichten stabilisieren können, ist dem permanenten Druck auf die Euro-Zone zum Gelddrucken wohl erst einmal der Boden entzogen und es könnte sein, dass sich das heisse Geld nun ein anderes Ziel aussucht. Warum mal nicht das britische Pfund zur Abwechslung ?

Was der Markt jetzt daraus macht, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann nur abwarten, bis Mr. Market seine Karten aufdeckt. Aber ich sehe immer noch die Chance zu einer positiven Ãœberraschung.

Es bleibt definitiv spannend. (HS)

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